"Innovative theoretische Modelle und Simulationen zu zukünftigen supraleitenden Beschleunigern mit hohen Gradienten – ATTAVANTI"

Teil des Verbundes: "Technologie zukünftiger supraleitender Beschleuniger mit hohen Gradienten" - TOSCA

Die Arbeitsgruppe von Prof. van Rienen konnte für ihre Forschungen auf dem Gebiet der Beschleunigerphysik und -technologie ca. 356.000 Euro für das Teilprojekt "Multiphysikalische Formoptimierung eines Quadrupolresonators unter Berücksichtigung von Unsicherheiten" des Projektes "Innovative theoretische Modelle und Simulationen zu zukünftigen supraleitenden Beschleunigern mit hohen Gradienten" (Advanced theoretical models and advanced simulation models for high-gradient superconducting future accelerators - ATTAVANTI)  einwerben. Das Vorhaben ist Teil des Verbundes "Technologie zukünftiger supraleitender Beschleuniger mit hohen Gradienten" (Technology of high-gradient superconducting future accelerators - TOSCA), dessen Ergebnisse die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit bestehender, geplanter oder im Bau befindlicher Beschleunigeranlagen steigern sollen. Im Verbundprojekt TOSCA arbeitet die von Prof. Dr. Ursula van Rienen und Co-Projektleiter Jun.-Prof. Dr.-Ing. Simon Adrian geleitete ATTAVANTI-Arbeitsgruppe mit Verbundpartnern von der TU Darmstadt, der Universität Hamburg, der Universität Mainz und den Institutionen CERN und DESY zusammen. Darüber hinaus werden durch den Projektpartner bei DESY regelmäßig alle zwei Wochen web-basierte Treffen organisiert, um die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des HZB und des Jefferson Lab (JLAB) aus den USA zu etablieren.

Das bewilligte Teilprojekt dient der verbesserten Präzision der Messung des Oberflächenwiderstands supraleitender Materialien mittels Quadrupolresonatoren (QPR). Es ist daher von genereller Bedeutung für jetzige und zukünftige supraleitende Beschleuniger, denn QPRs ermöglichen die Bestimmung einer Vielzahl wichtiger Kenngrößen supraleitender Proben in einem großen Parameterraum. Die erhaltenen Messergebnisse sind entscheidende Eingangsparameter für Designstudien verschiedener Systemkomponenten.

An der Universität Rostock arbeitet ein Postdoc an diesem Forschungsprojekt und steht in engem Kontakt mit den Kooperationspartnern.

Detailliertere Beschreibung:

QPRs sind spezialisierte Geräte, die seit den 1990er Jahren zur Messung des Oberflächenwiderstands von Metallproben mittels supraleitenden Hochfrequenztechnik (SRF) eingesetzt werden. Die sogenannte kalorimetrische Messung ermöglicht eine genaue Charakterisierung von flachen metallischen Proben mit QPRs. Abbildung 1 zeigt einen schematischen Querschnitt des am HZB entwickelten QPR-Aufbaus. Seine Struktur besteht aus den folgenden Hauptkomponenten: der Kavität, vier Quadrupol-Stäben und der (kalorimetrischen) Probenkammer. Im Resonator sind vier vertikale Hohlstäbe aus Niobium kollinear angeordnet. Diese Stäbe sind mit der oberen Platte des QPR-Resonators verschweißt. Das untere Ende der Stäbe ist in die halbringförmigen Polschuhe gebogen und in geringer Höhe über der Probenoberfläche positioniert, die an einem austauschbaren Zylinder befestigt ist. Im QPR wird in den Polschuhen eine Quadrupolmode verwendet, die wiederum ein fokussiertes Magnetfeld in der Probe bewirkt. Die angeregten Wirbelströme führen zu einer Verlustleistung und damit zu einer Erwärmung der Probe. Die Kavität und die kalorimetrische Kammer mit der am oberen Ende angebrachten Materialprobe sind wärmeisoliert. Ein Heizungsregler (PID) hält die Probe von unten auf einer konstanten Temperatur. Schließlich ermöglicht die "Hochfrequenz-Gleichstrom-Kompensationstechnik" aufgrund der festgestellten Differenz im stationären Zustand der Leistungsaufnahme im Hochfrequenz- und im Gleichstrombetrieb die genaue (nΩ-Auflösung) Bestimmung des Oberflächenwiderstands.

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Quadrupol-Resonators (links) und ein parametriertes Modell der Polschuhe (rechts). Die Hauptkomponenten sind die Kavität (zyan), die vier Quadrupol-Stäbe (grau) und die (kalorimetrische) Probenkammer (rot). "Schematic view of the Quadrupole Resonator (left) and a parameterized model of the pole shoes (right)" by P. Putek et al. is licensed under CC-BY 3.0. (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/); P.Putek et al., Uncertainty Quantification of a Quadrupole-Resonator for Radio Frequency Characterization of Superconductors, 19th Int. Conf. on RF Superconductivity (SRF'19), Dresden, Germany, 30 June-05 July 2019, doi:10.18429/JACoW-SRF2019-THP102

Die Feldstabilität ist ein kritischer Aspekt der in Abbildung 1 dargestellten QPR-Konfiguration. Insbesondere reagiert sie empfindlich auf die Lorentzkraft und verschiedene äußere Belastungen, was zu erheblichen Fehlern bei der Messung des Oberflächenwiderstands führt, insbesondere bei der dritten harmonischen Frequenz (1,3 GHz). Ein wesentliches Problem ist dabei ein unerwartet hoher Rest-Oberflächenwiderstand bei der dritten harmonischen Frequenz, welche mit mechanischen Schwingungen der Quadrupolstäbe in der Größenordnung von 100 Hz einherzugehen scheint. Ein solches Verhalten ist bei den am CERN verwendeten QPRs sogar bei allen anderen Betriebsfrequenzen zu beobachten.

Bei der Konstruktion aller QPRs standen bisher ausschließlich elektromagnetische Aspekte im Vordergrund, was bedeutet, dass ponderomotorische Effekte und die Verstimmung durch die Lorentzkraft bisher nicht berücksichtigt wurden. Die genauere Klärung dieser Fragestellung und eine darauf basierende Formoptimierung des QPR sind wesentliche Aufgaben, die verschiedene Beschleunigerlabore - darunter CERN, HZB, DESY und JLAB - mit Blick auf die Zukunft interessieren. Daraus ergibt sich die Aufgabenstellung, die multiphysikalischen Ursachen genauer zu modellieren und damit besser verstehen zu können. Diese Aufgabe erfordert eine gründliche Untersuchung der dynamischen Lorentz-Kraft-Verstimmung und des Mikrofonie-Effekts im Zeitbereich unter elektro-mechanisch-thermischer (EMT) Kopplung, um ein effizientes und robustes EMT-Modell im stationären Zustand zu entwickeln, einschließlich der Unsicherheiten der Geometrie- und Materialparameter. Mit Hilfe der multiobjektiven Formoptimierung soll eine optimale Konfiguration ermittelt werden, die unempfindlich gegenüber fehlerbehafteten Eingangsparametern ist und die Kompensation der beobachteten Messverzerrung des Oberflächenwiderstands bei der dritten harmonischen Betriebsfrequenz ermöglicht.

Projektlaufzeit: 01.07.2021 - 30.06.2024

Bearbeiter: Dr. Piotr Putek

Projektleitung: Prof. Dr. rer. nat. habil. Ursula van Rienen, Jun.-Prof. Dr.-Ing. Simon Adrian