Simulation der Wechselwirkung zwischen positiv geladenen Teilchenstrahlen und Elektronenwolken

DFG-Projekt 2: RI 814/20-2 01.10.2011 – 31.12.2014
DFG-Projekt 1: RI 814/20-1 01.08.2009 – 31.08.2012
Antragstellerin: Professor Dr. Ursula van Rienen  
Kontakt: Dr.-Ing. A. Markovik  
DFG-Verfahren: Sachbeihilfen  
Link: gepris.dfg.de/gepris/projekt/118723236  

Für aktuelle und zukünftige Teilchenbeschleuniger wie den LHC am CERN und den ILC gewinnt der sog. electron cloud effect große Bedeutung. Durch verschiedene Prozesse, wie z. B. die Ionisierung von Restgas in der Vakuumkammer oder Photoemission in den Wänden der Vakuumkammer, hervorgerufen durch die Abstrahlung von Synchrotronstrahlung auf einer gekrümmten Bahn, werden parasitäre Elektronen erzeugt. Der positiv geladene Teilchenstrahl zieht diese Elektronen an und versorgt sie mit zusätzlicher Energie. Dadurch fliegen die Elektronen im Strahlrohr umher, treffen dabei wiederholt auf die Kammerwände und erzeugen so lawinenartig mehr und mehr Elektronen - so entsteht der Effekt der Elektronenwolken. Ohne Kontrolle dieses Prozesses vergrößern die Elektronenwolken den Protonen- bzw. Positronenstrahl.

Ausgewählte Bahnen oszillierender Elektronen im Potential eines kurzen Positronenpaketes, dessen transversales Profil in der (x,y)-Ebene dargestellt ist (blaue Punkte, welche sog. Makroteilchen repräsentieren) – Abbildung 4.11 aus der Doktorarbeit von A. Markovik

In bisherigen Teilchenbeschleunigern konnten die Elektronenwolken relativ einfach kontrolliert werden. Im ILC mit seinen hohen Strahlintensitäten und gleichzeitig sehr geringen Abständen zwischen den Teilchenpaketen müssen neue Techniken gefunden werden, um die Elektronenwolken in den Dämpfungsringen zu kontrollieren und damit die anspruchsvollen Anforderungen an die Strahlqualität zu erfüllen. Zum Verständnis der Dynamik und zur Abschätzung des Effektes sind numerische Simulationen unverzichtbar. Ziel des Projektes ist daher die Entwicklung eines entsprechenden Programms zur 3D Simulation der Wechselwirkung zwischen einem positiv geladenen Teilchenstrahl und Elektronenwolken. Der Fokus liegt dabei auf einer detaillierten Validierung unserer Simulationsmethoden durch Vergleiche mit Messdaten sowie mit Ergebnissen anderer Simulationen. Anschließend wurde die Strahlstabilität für Speicherringe, die in bestimmten Arbeitsregimen (die durchaus im Bereich der Designparameter liegen) Instabilitäten als Folge von Elektronenwolken aufweisen, simuliert. Weiterhin wurden Füllschemata, die möglicherweise Strahlinstabilitäten hervorrufen können, überprüft.

Vertikale (links) und horizontale (rechts) Komponente der Elektronengeschwindigkeit in [m/s] 100 ps nach der Interaktion der Elektronenwolke mit einem Paket des Positronenstrahls in einer Driftröhre. – Abbildung 4.16 aus der Doktorarbeit von A. Markovik
Vertikale (links) und horizontale (rechts Komponente der Elektronengeschwindigkeit in [m/s] 100 ps nach der Interaktion der Elektronenwolke mit einem Paket des Positronenstrahls im Dipolfeld. – Abbildung 4.17 aus der Doktorarbeit von A. Markovik

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der inkohärente (Head-Tail) Effekt auf den Bunch, der durch die Wechselwirkung mit Elektronenwolken (engl. e-clouds) hervorgerufen wird, führt zu einer Vergrößerung der transversalen Strahlgröße in Speicherringen, die mit positiv geladenem Strahl betrieben werden. Effekte durch Elektronenwolken gelten als der bedeutendste limitierende Faktor für den Betrieb zukünftiger Maschinen mit hohen Strömen, großer Brillanz oder hoher Luminosität. Deshalb ist die Simulation von Elektronenwolkenphänomenen ein sehr aktiver Bereich der aktuellen Forschung. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag in der Entwicklung eines Werkzeugs zur Simulation der Wechselwirkung relativistischer Teilchenbündel mit nicht-relativistischen, geladenen parasitären Teilchen. Als Ergebnis liegt das Particle-In-Cell-Programm MOEVE PIC Tracking vor, das prinzipiell einen 3D-Bunch unter dem Einfluss von eigenen und externen elektromagnetischen Feldern verfolgen kann. Insbesondere simuliert es die Wechselwirkung relativistischer, positiv geladener Bunche mit zunächst statischen Elektronen. In MOEVE PIC Tracking wird das leitende Strahlrohr mit beliebigem elliptischen Querschnitt modelliert, um genauere Raumladungsfeldberechnungen sowohl für den Bunch als auch für die Elektronenwolke zu erreichen. Die Simulation der Wechselwirkung zwischen Elektronenwolken und Positronen-Bunchen in dieser Arbeit ermöglichte einen detaillierten Einblick in das Verhalten beider Teilchenspezies während und nach der Wechselwirkung. Ein weiteres und ultimatives Ziel dieser Arbeit war eine schnelle Abschätzung der Strahlstabilität unter dem Einfluss von Elektronenwolken im Speicherring. Der Standardansatz, um die Stabilität eines einzelnen Bunches zu simulieren, liegt darin, die Teilchen- Bunche durch die lineare Optik der Maschine zu verfolgen. Dazu wird der 6D-Vektor jedes Teilchens mit den Transformationsmatrizen, die das sog. Lattice beschreiben, multipliziert. Die Wirkung der Elektronenwolke auf den Bunch wird hierbei durch einen vorberechneten Wake-Kick approximiert, der dann an einem oder mehreren Punkten im Lattice angewendet wird. Einer Idee von K. Ohmi folgend, wurde der Wake-Kick als 2D-Wake-Funktion desjenigen Bunch-Teils, der die Elektronenwolke anregt, und der nachfolgenden Teile des Bunches, die einen transversalen Kick von der Elektronenwolke erhalten, vorberechnet. Eine Reihe von detaillierten Wechselwirkungssimulationen mittels MOEVE PIC Tracking resultierten in der vorberechneten Wake-Matrix für den gegebenen Bunch und die gegebenen Elektronenwolkenparameter, die anschließend beim Tracking durch die lineare Optik des Speicherrings angewendet wurde. Die Ergebnisse der Simulationen für die zwei Speicherringe KEKB-LER und PETRA III zeigen, dass das neu entwickelte Verfahren für eine schnelle Abschätzung von Elektronenwolkeneffekten auf den Strahl für alle aktuellen und zukünftigen Speicherringe mit positiv geladenen Bunchen angewendet werden kann.

Auswahl projektbezogener Publikationen

A. Markovik, G. Pöplau, U. van Rienen. Computation of the 2D Transverse Wake Function of an Electron Cloud for Different Parameters. 3rd Intl. Particle Accelerator Conf. (IPAC 2012), New Orleans, USA, May 20 - 25 , pp 280- 282, 2012.

A. Markovik, U. van Rienen. Tracking of a PETRA III Positron Bunch with a Pre-Computed Wake Matrix due to Electron Clouds. Proceedings of 11th Intl. Computational Accelerator Physics Conf. (ICAP2012), Warnemünde, Germany, 2012, August 19-24, pp 31-33, 2012.

G. Pöplau, A. Meseck, A. Markovik, U. van Rienen. Simulations for Ion Clearing in an ERL. Proceedings of 11th Intl. Computational Accelerator Physics Conf. (ICAP2012), Warnemünde, Germany, 2012, August 19-24, 2012, pp. 143-145, 2012.

A. Markovik. Simulation of the interaction of positively charged beams and electron clouds. Dissertation, Universität Rostock, Fakultät für Informatik und Elektrotechnik, 2013. Universitätsbibliothek.

D. Zheng, A. Markovik, G. Pöplau und U. van Rienen: Study of a Fast Convolution Method for Solving the Space Charge Fields of Charged Particle Bunches. In Proceedings of IPAC 2014 (Proceedings of the 5th International Particle Accelerator Conference), Dresden, Germany, pages 418–421, 2014.

A. Markovik, G. Pöplau, und U. van Rienen: Simulation of the single bunch instability due to the electron cloud effect by tracking with a pre-computed 2D wake matrix. In Proceedings of IPAC 2011 (2nd International Particle Accelerator Conference ), San Sebastian, Spain, pages 2247 – 2249, 2011.

A. Markovik, G. Pöplau, U. van Rienen, D. Sauerland, W. Hillert, A. Meseck: Dynamics of Ion Distributions in Beam Guiding Magnets. Proc. of the 5th Intl. Particle Accelerator Conf. (IPAC 2014): pp. 1668 – 1670.

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