SINCERE: Strahl-Impedanzberechnungen für das HiLumi-Upgrade des LHC-Injektores SPS und zukünftige CERN-Großgeräte und Entwurf eines Quadrupolresonators zur genauen Messung von HF-Eigenschaften metallischer Proben

In der Ausschreibung des BMBF Förderung von ausgewählten Schwerpunkten der Erforschung von Universum und Materie auf dem Gebiet „Physik der kleinsten Teilchen“ vom 11. August 2017 konnte die Arbeitsgruppe von Frau Prof. van Rienen für ihre Forschung auf dem Gebiet der Beschleunigerphysik und -technologie für die nächsten drei Jahre (Juli 2018 bis Juni 2021) ca. 417.000 Euro für folgendes Projekt einwerben:

„Strahl-Impedanzberechnungen für das Hilumi-Upgrade des LHC-lnjektors SPS und zukünftige CERN-Großgeräte und Entwurf eines Quadrupolresonators zur genauen Messung von HF-Eigenschaften metallischer Proben“ (SINCERE) im Verbundprojekt „Schlüsseltechnologien für Teilchen-Collider höchster Luminosität (STenCiL).

Ein Postdoc und ein Promovierender bearbeiten dieses Forschungsprojekt an der Universität Rostock und in engem Kontakt zu den Verbundpartnern.

Das Verbundprojekt STenCiL mit den Verbundpartnern: Universität Hamburg, Technische Universität Darmstadt und Bergische Universität Wuppertal wird durch Frau Prof. van Rienen koordiniert.

Die Modellierung und Simulation von Fragestellungen aus der Beschleunigerphysik und -technologie, insbesondere der Strahldynamik und der Felder in den Hochfrequenzstrukturen bilden neben Themen der Biomedizinischen Technik (s. SFB 1270 – ELAINE – Elektrisch aktive Implantate, www.elaine.uni-rostock.de) einen der beiden Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls.

Das Vorhaben steht in Zusammenhang mit dem Upgrade des Large Hadron Colliders (LHC) am CERN zu höherer Luminosität. Dieses Upgrade erfordert zwingend auch ein Upgrade der LHC-Injektoren, welche auf die erhöhte Strahlintensität angepasst werden müssen. Ein besonderes Augenmerk dieses Vorhabens liegt auf dem Injektor SPS. Der SPS ist der finale Injektor für Protonenstrahlen in den LHC. Um die erhöhte Strahlintensität des LHC zu erreichen, sind Limitationen, wie z.B. eine bekannte longitudinale Multibunch-Instabilität des SPS, zu überwinden. Derzeit gibt es am CERN intensive Studien über mögliche Designänderungen und verschiedene Konstellationen der geraden Abschnitte des SPS, welche in diesem Vorhaben aufgegriffen werden sollen. Das Ziel dieser Designänderungen ist die Reduktion der Strahlimpedanzen, um die geplante höhere Strahlintensität des LHC zu gewährleisten. Im hier beschriebenen Vorhaben sollen zunächst die vorgeschlagenen Designänderungen unter Nutzung moderner numerischer Software sowie selbst entwickelter Methoden zur Modellierung und effizienten Simulation elektromagnetischer Felder, untersucht und möglichst weiter verbessert werden. Derartige Berechnungen sind numerisch sehr aufwendig, was meist eine direkte Optimierung einer komplexeren Anordnung nicht erlaubt. Daher wird in diesem Vorhaben das sogenannte State-Space Concatenation Scheme (SSC) eingesetzt, um eine effiziente Berechnung der Strahlimpedanzen selbst auf Workstation-Rechnern zu gewährleisten. SSC ist eine an der Universität Rostock entwickelte neuartige Kombination aus Modellordnungsreduktion (MOR) und Gebietszerlegungsverfahren. Dabei werden aus einer Eigenmodenzerlegung die strahlerregten Felder und Strahlimpedanzen errechnet.

Schematische Darstellung der wesentlichen Grundidee der SSC-Methode: Eine Abfolge verschiedenartiger Maschinenelemente (hier ein Resonator sowie das angrenzende Strahlrohr mit Leistungs- bzw. Higher-Order-Mode-Koppler) wird in einzelne Segmente zerlegt (links). Nach Aufstellen eines Zustandsraummodells für jedes einzelne Segment wird ein Verfahren der Modellordnungsreduktion auf dieses Zustandsraummodell angewendet, woraus ein System gewöhnlicher Differentialglei-chungen resultiert, das um Größenordnungen kleiner ist, als das ursprüngliche Zustandsraummodell (Mitte). Schließlich erfolgt ein Verkettungsschritt im Ergebnis dessen z.B. die Feldverteilung für Gesamtstruktur vorliegt (rechts). Die Diskretisierung der elektromagnetischen Felder der Einzelsegmente erfolgt dabei mit der kommerziellen Software CST Microwave Studio. Die Effizienz dieser Methode zeigt sich insbesondere bei sich mehrfach wiederholenden Segmenten oder auch der hier betrachteten geänderten Anordnung von Segmenten, da jedes einzelne Segment nur einmal und auch sehr effizient berechnet wird.

Die zur Untersuchung des SPS-Injektors weiterentwickelte SSC-Methode hat über dieses Vorhaben hinaus auch Relevanz für weitere aktuelle und zukünftige Beschleunigerstudien. Innerhalb des Verbundes ist eine Anwendung auf andere in diesem Verbund untersuchte Beschleunigungsstrukturen von z.B. bERLinPro, MESA, FLASH oder E-XFEL geplant. Außerhalb dieses Verbundes ist eine zukünftige Anwendung beispielsweise für die FCC-Studie, speziell der Hochstrommaschinen, denkbar.

Im zweiten Teil des Vorhabens soll ein Quadrupolresonator zur genauen Messung der Hochfrequenz(HF)-Eigenschaften von metallischen Proben designt werden. Derzeitige HF-Resonatoren sind meist aus Niob gefertigt, welches bei sehr niedrigen Temperaturen in einem supraleitenden Zustand betrieben wird, um Oberflächenverluste auf ein Minimum zu reduzieren. Besondere Erfolge verspricht man sich durch neuartige Materialien, wie z.B. Niob mit sehr großen Korngrößen (engl.: large-grain) sowie mit Stickstoff versetztes Niob (engl.: nitrogen-doping).

Zu einer genauen Bestimmung der HF-Eigenschaften solcher neuartiger Materialien wird mit Hilfe eines sogenannten Quadrupolresonators (vgl. Abb.) eine kalorimetrische Messung durchgeführt.

Schematische Darstellung eines Quadrupolresonators

In einem Quadrupolresonator wird durch eine Loop-Antenne ein Quadrupolmode in einem Polschuh angeregt, wodurch ein fokussiertes Magnetfeld auf die Probe aufgebracht wird. Die Frequenz des applizierten Feldes lässt sich steuern, indem ein Mode höherer Ordnung im Polschuh angeregt wird. Das Magnetfeld führt zu einer Verlustleistung in der Probe, welche sich dadurch erhitzt. Die thermisch vom Resonator getrennte Probe wird durch einen Temperaturregler auf konstanter Temperatur gehalten. Durch die Reduktion der verbrauchten elektrischen Leistung des Temperaturreglers lässt sich auf die Verlustleistung in der Probe und deren mittleren Oberflächenwiderstand schließen. Eine solche kalorimetrische Messung weist eine erhöhte Genauigkeit und Variabilität der experimentellen Parameter gegenüber alternativen Messverfahren auf. Ziel dieses zweiten Teilprojekts ist der Entwurf eines Quadrupolresonators, welcher sich eignet, die in diesem Verbund untersuchten Materialien in Kollaboration mit der Universität Hamburg genauer zu quantifizieren. Verschiedene Geometrieparameter sollen durch geeignete Methoden optimiert werden, sodass die Messgenauigkeit des Verfahrens maximiert wird.

Eine zweite Untersuchung soll sich mit Studien zu Unsicherheiten des Messverfahrens befassen, wodurch die Genauigkeit des Verfahrens weiter gesteigert werden kann. Auch eine Abschätzung der maximal erreichbaren Genauigkeit wird so möglich sein. Weiterhin soll mit Hilfe numerischer Experimente untersucht werden, inwieweit sich das Konzept der kalorimetrischen Leistungsmessung derart generalisieren lässt, dass die Feldverteilung in der Probe möglichst homogen verteilt ist, um so die Genauigkeit des Verfahrens zu erhöhen. Dazu ist ein komplett neues Design des Polschuhs notwendig, welches dann nicht notwendigerweise auf Quadrupolmoden basiert.

 

Bearbeiter: Dr. Piotr Putek, M.Sc. Shahnam Gorgi Zadeh

Projektvernatwortliche: Prof. Ursula van Rienen

Gefördert durch das